Walter Benjamin'in Kitaplığımı Yerleştirirken: Kitap Koleksiyonculuğuna Dair Bir Konuşma adlı metnini okudum bugün. Deniz Kurt çevirmiş. Eline emeğine sağlık, ama bazı yerlerin orijinalini merak ettim doğrusu. Ben de çeviri yaptığım için çeviriye kusur bulurken pek temkinliyim. Çok zor iştir bilirim, ayrıca kendi çevirilerimi de beğenmem hiç. Fekat bi şeyler de bilirim; mesela erkenden çevirip bi kenarda mahsusçuktan unutmak, sonra tekrar bakmak, efendime söyliyim tekrar tekrar bakmak lazım. Hiç aceleye gelmez. Bu çeviri bağlamında söz etmiyorum bundan, acele edip etmediğini söylemiyorum; kaldı ki ne kadar titizlenirseniz titizlenin oturmayan bir şeyler olabilir. Belki de Benjamin çevirisinin çok ağır bir sorumluluk olduğunu söylemeye çalışıyorumdur :)
İşte ben de merak ettiğim yerlere bakmak için çok da fazla uğraşmadan aşağıdaki orijinali buldum internetten. Meraklısına dev kültür hizmeti :) Buyrunuz.
Ich packe meine Bibliothek aus
Eine Rede über das Sammeln
Ich packe meine Bibliothek aus. Ja. Sie steht also noch nicht auf den
Regalen, die leise Langeweile der Ordnung umwittert sie noch nicht. Ich
kann auch nicht an ihren Reihen entlang schreiten, um im Beisein
freundlicher Hörer ihnen die Parade abzunehmen. Das alles haben Sie
nicht zu befürchten. Ich muß Sie bitten, mit mir in die Unordnung
aufgebrochener Kisten, in die von Holzstaub erfüllte Luft, auf den von
zerrissenen Papieren bedeckten Boden, unter die Stapel eben nach
zweijähriger Dunkelheit wieder ans Tageslicht beförderter Bände sich zu
versetzen, um von vornherein ein wenig die Stimmung, die ganz und gar
nicht elegische, viel eher gespannte zu teilen, die sie in einem echten
Sammler erwecken. Denn ein solcher spricht zu Ihnen und im großen und
ganzen auch nur von sich. Wäre es nicht anmaßend, hier auf eine
scheinbare Objektivität und Sachlichkeit pochend die Hauptstücke oder
Hauptabteilungen einer Bücherei Ihnen aufzuzählen, oder deren
Entstehungsgeschichte, oder selbst deren Nutzen für den Schriftsteller
Ihnen darzulegen? Ich jedenfalls habe es mit den folgenden Worten auf
etwas Unverhüllteres, Handgreiflicheres abgesehen; am Herzen liegt mir,
Ihnen einen Einblick in das Verhältnis eines Sammlers zu seinen
Beständen, einen Einblick ins Sammeln viel mehr als in eine Sammlung zu
geben. Es ist ganz willkürlich, daß ich das an Hand einer Betrachtung
über die verschiedenen Erwerbungsarten von Büchern tue. Solche Anordnung
oder jede andere ist nur ein Damm gegen die Springflut von
Erinnerungen, die gegen jeden Sammler anrollt, der sich mit dem Seinen
befaßt. Jede Leidenschaft grenzt ja ans Chaos, die sammlerische aber an
das der Erinnerungen. Doch ich will mehr sagen: Zufall, Schicksal, die
das Vergangene vor meinem Blick durchfärben, sie sind zugleich in dem
gewohnten Durcheinander dieser Bücher sinnenfällig da. Denn was ist
dieser Besitz anderes als eine Unordnung, in der Gewohnheit sich so
heimisch machte, daß sie als Ordnung erscheinen kann? Sie haben schon
von Leuten gehört, die am Verlust ihrer Bücher zu Kranken, von anderen,
die an ihrem Erwerb zu Verbrechern geworden sind. Jede Ordnung ist
gerade in diesen Bereichen nichts als ein Schwebezustand überm Abgrund.
»Das einzige exakte Wissen, das es gibt«, hat Anatole France gesagt,
»ist das Wissen um das Erscheinungsjahr und das Format der Bücher.« In
der Tat, gibt es ein Gegenstück zur Regellosigkeit einer Bibliothek, so
ist es die Regelrechtheit ihres Verzeichnisses.
So ist das Dasein des Sammlers dialektisch gespannt zwischen den Polen der Unordnung und der Ordnung.
Es ist natürlich noch an vieles andere gebunden. An ein sehr
rätselhaftes Verhältnis zum Besitz, über das nachher noch einige Worte
zu sagen sein werden. Sodann: an ein Verhältnis zu den Dingen, das in
ihnen nicht den Funktionswert, also ihren Nutzen, ihre Brauchbarkeit in
den Vordergrund rückt, sondern sie als den Schauplatz, das Theater ihres
Schicksals studiert und liebt. Es ist die tiefste Bezauberung des
Sammlers, das einzelne in einen Bannkreis einzuschließen, in dem es,
während der letzte Schauer – der Schauer des Erworbenwerdens – darüber
hinläuft, erstarrt. Alles Erinnerte, Gedachte, Bewußte wird Sockel,
Rahmen, Postament, Verschluß seines Besitztums. Zeitalter, Landschaft,
Handwerk, Besitzer, von denen es stammt – sie alle rücken für den wahren
Sammler in jedem einzelnen seiner Besitztümer zu einer magischen
Enzyklopädie zusammen, deren Inbegriff das Schicksal seines Gegenstandes
ist. Hier also, auf diesem engen Felde läßt sich mutmaßen, wie die
großen Physiognomiker – und Sammler sind Physiognomiker der Dingwelt –
zu Schicksalsdeutern werden. Man hat nur einen Sammler zu beobachten,
wie er die Gegenstände seiner Vitrine handhabt. Kaum hält er sie in
Händen, so scheint er inspiriert durch sie hindurch, in ihre Ferne zu
schauen. Soviel von der magischen Seite des Sammlers, von seinem
Greisenbilde könnte ich sagen. – Habent sua fata libelli – das war
vielleicht gedacht als ein allgemeiner Satz über Bücher. Bücher, also
»Die Göttliche Komödie« oder »Die Ethik« des Spinoza oder »Die
Entstehung der Arten«, haben ihre Schicksale. Der Sammler aber legt
diesen lateinischen Spruch anders aus. Ihm haben nicht sowohl Bücher als
Exemplare ihre Schicksale. Und in seinem Sinn ist das wichtigste
Schicksal jedes Exemplars der Zusammenstoß mit ihm selber, mit seiner
eigenen Sammlung. Ich sage nicht zuviel: für den wahren Sammler ist die
Erwerbung eines alten Buches dessen Wiedergeburt. Und eben darin liegt
das Kindhafte, das im Sammler sich mit dem Greisenhaften durchdringt.
Die Kinder nämlich verfügen über die Erneuerung des Daseins als über
eine hundertfältige, nie verlegene Praxis. Dort, bei den Kindern, ist
das Sammeln nur ein Verfahren der Erneuerung, ein anderes ist das
Bemalen der Gegenstände, wieder eines das Ausschneiden, noch eines das
Abziehen und so die ganze Skala kindlicher Aneignungsarten vom Anfassen
bis hinauf zum Benennen. Die alte Welt erneuern – das ist der tiefste
Trieb im Wunsch des Sammlers, Neues zu erwerben, und darum steht der
Sammler älterer Bücher dem Quell des Sammelns näher als der Interessent
für bibliophile Neudrucke. Wie Bücher nun die Schwelle einer Sammlung
überschreiten, wie sie Besitz eines Sammlers werden, kurz, über ihre
Erwerbsgeschichte jetzt einige Worte.
Von allen Arten sich Bücher zu verschaffen, wird als die rühmlichste
betrachtet, sie selbst zu schreiben. Manche von Ihnen werden an dieser
Stelle vergnügt der großen Bücherei gedenken, die Jean Pauls armes
Schulmeisterlein Wuz mit der Zeit sich auf die Art zulegte, daß es alle
Werke, von denen die Titel in den Meßkatalogen es interessierten, weil
es sie ja nicht kaufen konnte, sich selber schrieb. Schriftsteller sind
eigentlich Leute, die Bücher nicht aus Armut sondern aus Unzufriedenheit
mit den Büchern schreiben, welche sie kaufen könnten, und die ihnen
nicht gefallen. Das werden Sie, meine Damen und Herren, für eine
schrullige Definition des Schriftstellers halten; schrullig aber ist
alles, was aus dem Sehwinkel eines echten Sammlers gesagt wird. – Von
den landläufigen Erwerbsarten wäre für Sammler die schicklichste das
Ausleihen mit anschließendem Nichtzurückgeben. Der Buchausleiher großen
Formats, wie wir ihn hier vor Augen haben, erweist sich als
eingefleischter Büchersammler nicht etwa nur durch die Inbrunst, mit der
er den zusammengeborgten Schatz behütet und allen Mahnungen aus dem
Alltag des Rechtslebens mit Taubheit begegnet, sondern weit mehr
dadurch, daß auch er die Bücher nicht liest. Wenn Sie meiner Erfahrung
glauben wollen, so geschah es immer noch eher, daß einer mir
gelegentlich ein entliehenes Buch zurückbrachte, als daß er es etwa
gelesen hätte. Und das – werden Sie fragen – wäre eine Eigenart der
Sammler, Bücher nicht zu lesen? Das wäre ja das Neueste. Nein.
Sachkundige werden Ihnen bestätigen, daß es das Älteste ist, und ich
nenne hier nur die Antwort, die, wiederum, France für den Banausen in
Bereitschaft hatte, der seine Bibliothek bewunderte, um sodann bei der
obligaten Frage zu enden: »Und das haben Sie alles gelesen, Herr
France?« – »Nicht ein Zehntel. Oder speisen Sie vielleicht täglich von
Ihrem Sèvres?«
Ich habe übrigens auf das Recht einer solchen Haltung die Gegenprobe
gemacht. Jahrelang – gut während des ersten Drittels ihres bisherigen
Daseins – hat meine Bibliothek aus nicht mehr als zwei bis drei Reihen
bestanden, die jährlich nur um Zentimeter wuchsen. Das war ihr
martialisches Zeitalter, da kein Buch in sie eintreten durfte, dem ich
nicht die Parole abgenommen, das ich nicht gelesen hatte. Und so wäre
ich vielleicht nie zu etwas, was dem Umfang nach eine Bibliothek genannt
werden kann, gekommen ohne die Inflation, die mit einmal den Akzent auf
den Dingen umschlagen, die Bücher zu Sachwerten, mindestens schwer
erhältlich werden ließ. So wenigstens schien es in der Schweiz. Und
wirklich machte ich von dort in zwölfter Stunde meine ersten größeren
Bücherbestellungen und konnte noch so unersetzliche Dinge bergen, wie
den »Blauen Reiter« oder Bachofens »Sage von Tanaquil«, die damals noch
beim Verleger zu haben waren. – Nun, meinen Sie, müßten wir nach soviel
Kreuz- und Querzügen endlich auf die breite Straße des Bucherwerbs
kommen, welche der Kauf ist. Jawohl, eine breite Straße, aber keine
gemächliche. Der Kauf des Büchersammlers hat sehr wenig Ähnlichkeit mit
denen, die ein Student, um sich ein Lehrbuch anzuschaffen, ein Herr von
Welt, um seiner Dame ein Geschenk zu machen, ein Geschäftsreisender, um
sich die nächste Eisenbahnfahrt zu verkürzen, in einer Buchhandlung
vornimmt. Meine denkwürdigsten habe ich auf Reisen, als Passant gemacht.
Besitz und Haben sind dem Taktischen zugeordnet. Sammler sind Menschen
mit taktischem Instinkt; ihrer Erfahrung nach kann, wenn sie eine fremde
Stadt erobern, der kleinste Antiquitätenladen ein Fort, das entlegenste
Papiergeschäft eine Schlüsselstellung bedeuten. Wie viele Städte haben
sich mir nicht in den Märschen erschlossen, mit denen ich auf Eroberung
von Büchern ausging.
Von den wichtigsten Ankäufen geht freilich über den Besuch eines
Händlers gewiß nur ein Teil. Kataloge spielen eine viel größere Rolle.
Und wenn der Käufer ein Buch, das er so nach dem Katalog bestellt, auch
noch so gut kennt: das Exemplar bleibt immer eine Überraschung und der
Bestellung immer etwas vom Hasard. Da gibt es neben empfindlichen
Enttäuschungen die beglückenden Funde. So entsinne ich mich, eines Tages
ein Buch mit farbigen Bildern für meine alte Sammlung von Kinderbüchern
nur darum bestellt zu haben, weil es Märchen von Albert Ludwig Grimm
hatte und sein Erscheinungsort Grimma in Thüringen war. Aus Grimma aber
stammte ein Fabelbuch, das eben dieser Albert Ludwig Grimm herausgegeben
hatte. Und dieses Fabelbuch war in dem Exemplar, das ich besaß, mit
seinen 16 Bildern das einzige erhaltene Zeugnis der Anfänge des großen
deutschen Illustrators Lyser, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts
in Hamburg gelebt hat. Nun, meine Reaktion auf den Zusammenklang der
Namen war präzis gewesen. Auch hier wieder entdeckte ich Arbeiten von
Lyser, und zwar ein Werk – »Linas Mährchenbuch« – das allen seinen
Bibliographen unbekannt geblieben ist und einen ausführlicheren Hinweis
als diesen, den ersten, den ich darauf gebe, verdient.
Auf keinen Fall ist es beim Bucherwerb mit Geld allein oder allein
mit Sachkunde getan. Und selbst beide zusammen genügen zur Begründung
einer echten Bibliothek, die immer etwas Undurchschaubares und
Unverwechselbares zugleich hat, nicht. Wer nach Katalogen kauft, muß zu
den genannten Dingen noch eine feine Witterung besitzen. Jahreszahlen,
Ortsnamen, Formate, Vorbesitzer, Einbände usw., all dieses muß ihm etwas
sagen und nicht nur so im dürren Anundfürsich, sondern diese Dinge
müssen zusammenklingen und nach der Harmonie und Schärfe des
Zusammenklangs muß er erkennen können, ob so ein Buch zu ihm gehört oder
nicht. – Wieder ganz andere Fähigkeiten sind es, die eine Auktion vom
Sammler verlangt. Zum Katalogleser muß das Buch allein und allenfalls
sein Vorbesitzer, wenn die Provenienz des Exemplares feststeht,
sprechen. Wer auf einer Auktion eingreifen will, der muß sein Augenmerk
zu gleichen Teilen auf das Buch und auf die Konkurrenten richten, und
außerdem noch kühlen Kopf genug behalten, um nicht – wie es doch
alltäglich geschieht – sich in den Konkurrenzkampf zu verbeißen und so
zuletzt an einer Stelle, an welcher er mehr mitbot, um seinen Mann zu
stehen, als um das Buch sich zu erwerben, mit einem hohen Ankaufpreis
hängen zu bleiben. Dafür zählt aber zu den schönsten Erinnerungen des
Sammlers der Augenblick, wo er einem Buch, an das er vielleicht nie im
Leben einen Gedanken, geschweige einen Wunsch gewendet hat, beisprang,
weil es so preisgegeben und verlassen auf dem offenen Markt stand und
es, wie in den Märchen aus Tausendundeiner Nacht der Prinz eine schöne
Sklavin, kaufte, um ihm die Freiheit zu geben. Für den Büchersammler ist
nämlich die wahre Freiheit aller Bücher irgendwo auf seinen Regalen.
Als Denkmal meines aufregendsten Auktionserlebnisses ragt über langen
Reihen französischer Bände noch heute in meiner Bibliothek Balzacs
»Peau de chagrin«. Das war 1915 auf der Auktion Rümann bei Emil Hirsch,
einem der größten Bücherkenner und zugleich vornehmsten Kaufleute. Die
Ausgabe, um die es sich handelt, ist 1838 in Paris Place de la Bourse
erschienen. Eben, da ich mein Exemplar zur Hand nehme, sehe ich nicht
nur die Nummer der Rümannschen Sammlung, sondern sogar die Etikette der
Buchhandlung vor mir, in der vor über 90 Jahren der erste Erwerber es
ungefähr zu einem Achtzigstel des heutigen Preises gekauft hat.
Papeterie I. Flanneau heißt es da. Eine schöne Zeit, da man solche
Prachtwerke – denn die Stahlstiche dieses Buches sind von dem größten
französischen Zeichner entworfen und von den größten Stechern ausgeführt
worden – wo man ein solches Buch noch in einer Papeterie kaufen konnte.
Aber ich wollte die Erwerbungsgeschichte erzählen. Ich war zur
Vorbesichtigung zu Emil Hirsch gekommen, hatte mir 40 oder 50 Bände
durch die Hand gehen lassen, diesen aber mit dem glühenden Wunsch, ihn
nie mehr aus ihr geben zu müssen. Der Tag der Auktion kam. Ein Zufall
wollte, daß in der Versteigerungsordnung vor diesem Exemplar der »Peau
de chagrin« die komplette Folge ihrer Illustrationen in Sonderabzügen
auf China erschien. Die Bieter saßen an einer langen Tafel; schräg
gegenüber von mir der Mann, der bei dem nun folgenden Ausgebot alle
Blicke auf sich vereinigte: der berühmte Münchener Sammler, Freiherr vom
Simolin. Es ging ihm um diese Folge, er hatte Konkurrenten, kurz es kam
zu einem scharfen Kampf, dessen Ergebnis das Höchstgebot der ganzen
Auktion, ein Preis weit über 3000 RM war. Niemand schien einen so hohen
Betrag erwartet zu haben, eine Bewegung ging durch die Anwesenden. Emil
Hirsch gab nicht darauf acht und sei es, um Zeit zu sparen, sei es aus
anderen Erwägungen, ging er unter allgemeiner Unaufmerksamkeit der
Versammlung zur folgenden Nummer über. Er rief den Preis aus, ich ging
mit Herzklopfen bis zum Halse und in dem klaren Bewußtsein, mit keinem
der anwesenden großen Sammler den Wettbewerb aufnehmen zu können, etwas
darüber. Der Auktionator aber, ohne die Beachtung der Versammlung zu
erzwingen, schritt mit den üblichen Formeln »niemand mehr« und drei
Schlägen – mir schienen sie wie durch eine Ewigkeit voneinander getrennt
– zum Zuschlag. Für mich als Studenten war die Summe immer noch hoch
genug. Der folgende Vormittag im Leihhaus aber gehört nicht mehr zu
dieser Geschichte, und anstatt dessen spreche ich lieber von einer
Begebenheit, die ich das Negativ einer Auktion nennen möchte. Das war
auf einer Berliner Versteigerung des vorigen Jahres. Ausgeboten wurde
eine nach Qualität und Stoffgebiet recht gemischte Reihe von Büchern,
unter denen nur eine Anzahl seltener okkultistischer und
naturphilosophischer Werke bemerkenswert waren. Ich bot auf eine Anzahl
von ihnen, bemerkte aber, so oft ich eingriff, einen Herrn in den
vorderen Reihen, der nur auf mein Gebot gewartet zu haben schien, um mit
dem seinigen bis zu beliebiger Höhe einzusetzen. Nachdem ich diese
Erfahrung hinreichend wiederholt hatte, gab ich für den Erwerb des
Buches, an dem mir an diesem Tage am meisten lag, alle Hoffnung auf. Es
waren die seltenen »Fragmente aus dem Nachlasse eines jungen Physikers«,
die Johann Wilhelm Ritter 1810 in 2 Bänden in Heidelberg hatte
erscheinen lassen. Das Werk ist nie wieder gedruckt worden, die Vorrede
aber, in welcher der Herausgeber als Nachruf auf seinen angeblich
verstorbenen ungenannten Freund, der doch niemand ist als er selber, die
Darstellung des eigenen Lebens gegeben hat, ist mir von jeher als die
bedeutendste persönliche Prosa der deutschen Romantik erschienen. Im
Augenblick, da man die Nummer ausrief, kam mir eine Erleuchtung. Einfach
genug: Da mein Gebot die Nummer unfehlbar dem andern zuschanzen mußte,
durfte ich gar nicht bieten. Ich bezwang mich, blieb stumm. Was ich
erhofft hatte, trat nun ein: Kein Interesse, kein Gebot, das Buch ging
zurück. Ich hielt es für klug, noch einige Tage verstreichen zu lassen.
In der Tat, als ich nach einer Woche erschien, fand ich das Buch beim
Antiquar vor, und der Mangel an Interesse, welchen man ihm bewiesen
hatte, kam mir nun bei der Erwerbung zustatten.
Was drängt nicht alles an Erinnerung herbei, hat man sich einmal in
das Kistengebirge begeben, um die Bücher im Tag- oder besser im Nachtbau
aus ihm herauszuholen. Nichts könnte die Faszination dieses Auspackens
deutlicher machen, als wie schwer es ist, damit aufzuhören. Mittags
hatte ich begonnen, und es war Mitternacht, ehe ich an die letzten
Kisten mich herangearbeitet hatte. Hier aber fielen mir nun am Ende zwei
verschossene Pappbände in die Hand, die streng genommen gar nicht in
eine Bücherkiste gehören: zwei Alben mit Oblaten, die meine Mutter als
Kind geklebt hat, und die ich geerbt habe. Sie sind die Samen einer
Sammlung von Kinderbüchern, die noch heut ständig fortwächst, wenn auch
nicht mehr in meinem Garten. – Es gibt keine lebendige Bibliothek, die
nicht eine Anzahl von Buchgeschöpfen aus Grenzgebieten bei sich
beherbergte. Es brauchen nicht Oblatenalben oder Stammbücher zu sein,
weder Autographen noch Einbände mit Pandekten oder Erbauungstexten im
Innern: manche werden an Flugblättern und Prospekten, andere an
Handschriftfaksimiles oder Schreibmaschinenabschriften unauffindbarer
Bücher hängen, und erst recht können Zeitschriften die prismatischen
Ränder einer Bibliothek bilden. Um aber auf jene Alben zurückzukommen,
so ist eigentlich Erbschaft die triftigste Art und Weise zu einer
Sammlung zu kommen. Denn die Haltung des Sammlers seinen Besitztümern
gegenüber stammt aus dem Gefühl der Verpflichtung des Besitzenden gegen
seinen Besitz. Sie ist also im höchsten Sinne die Haltung des Erben. Den
vornehmsten Titel einer Sammlung wird darum immer ihre Vererbbarkeit
bilden. Wenn ich das sage, so bin ich – das sollen Sie wissen – mir
recht genau darüber im klaren, wie sehr solche Entwicklung der im
Sammeln enthaltenen Vorstellungswelt viele von Ihnen in Ihrer
Überzeugung vom Unzeitgemäßen dieser Passion, in ihrem Mißtrauen gegen
den Typus des Sammlers bestärken wird. Nichts liegt mir ferner, als Sie
zu erschüttern, weder in jener Anschauung noch diesem Mißtrauen. Und nur
das eine wäre anzumerken: Das Phänomen der Sammlung verliert, indem es
sein Subjekt verliert, seinen Sinn. Wenn öffentliche Sammlungen nach der
sozialen Seite hin unanstößiger, nach der wissenschaftlichen nützlicher
sein mögen als die privaten – die Gegenstände kommen nur in diesen zu
ihrem Recht. Im übrigen weiß ich, daß für den Typus, von dem ich hier
spreche und den ich, ein wenig ex officio, vor Ihnen vertreten habe, die
Nacht hereinbricht. Aber wie Hegel sagt: erst mit der Dunkelheit
beginnt die Eule der Minerva ihren Flug. Erst im Aussterben wird der
Sammler begriffen.
Nun ist es vor der letzten halbgeleerten Kiste schon längst nach
Mitternacht geworden. Andere Gedanken erfüllen mich als von denen ich
sprach. Nicht Gedanken; Bilder, Erinnerungen. Erinnerungen an die
Städte, in denen ich so vieles gefunden habe: Riga, Neapel, München,
Danzig, Moskau, Florenz, Basel, Paris; Erinnerungen an die Münchener
Prachträume Rosenthals, an den Danziger Stockturm, wo der verstorbene
Hans Rhaue hauste, an den muffigen Bücherkeller von Süßengut, Berlin N;
Erinnerungen an die Stuben, wo diese Bücher gestanden haben, meine
Studentenbude in München, mein Berner Zimmer, an die Einsamkeit von
Iseltwald am Brienzer See und schließlich mein Knabenzimmer, aus dem nur
noch vier oder fünf der mehreren tausend Bände, die sich um mich zu
türmen beginnen, stammen. Glück des Sammlers, Glück des Privatmanns!
Hinter niemandem hat man weniger gesucht und keiner befand sich wohler
dabei als er, der in der Spitzwegmaske sein verrufenes Dasein
weiterführen konnte. Denn in seinem Innern haben ja Geister, mindestens
Geisterchen, sich angesiedelt, die es bewirken, daß für den Sammler, ich
verstehe den rechten, den Sammler wie er sein soll, der Besitz das
allertiefste Verhältnis ist, das man zu Dingen überhaupt haben kann:
nicht daß sie in ihm lebendig wären, er selber ist es, der in ihnen
wohnt. So habe ich eines seiner Gehäuse, dessen Bausteine Bücher sind,
vor Ihnen aufgeführt und nun verschwindet er drinnen, wie recht und
billig.